You gotta fight for your right to tv

Mitte der Siebziger Jahre kann man in weiten Teilen Österreichs genau zwei Fernsehprogramme empfangen: FS 1 und FS 2. Die technische Möglichkeit des Empfangs bedeutet aber nicht automatisch, dass man die Sendungen auch wirklich sehen kann. Schon gar nicht, wenn man - so wie ich - in einem Internat lebt. Ein Vorfall im sogenannten Bundeskonvikt in Eisenstadt ärgert mich so sehr, dass ich zum Kugelschreiber greife und meinen Unmut in Worte fasse. Unter dem Pseudonym "Solscheschnizyn" schreibe ich meinen ersten öffentlichen Artikel, der im Juni 1975 in der Schulzeitung des BG und BRG Eisenstadt, der "VOICE", erscheint.

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Dies ist kein beinhartes Protestlied. Es richtet sich nicht gegen eine Einzelperson, sondern gegen eine bestimmte Gruppe: die Konviktserzieher.

Es hatte sich im Bundeskonvikt herumgesprochen, dass ein Farbfernsehgerät besser sei als ein Schwarz-Weiß-Apparat. Daher kam es nicht überraschend, dass im Februar dieses Jahres zwei Serviceleute in demselben Gebäude mit demselben Gerät erschienen. Das alte Schwarz-Weiß-Gerät, das von allen – außer einigen Barbaren – trotz vieler Störungen äußerst schonend behandelt worden war, hatte ausgedient. Nun sollte die Neuerwerbung den so leidgeprüften Internatsschülern Belustigung, Information und spannende Fußballschlachten ins Haus liefern. Doch sie hatten die Rechnung ohne die Erzieher gemacht.

Schon eine Anordnung der Konviktsdirektion verhieß Unheil. In großen Lettern besagte sie, dass nur die Erzieher die Erlaubnis hätten, am Gerät zu hantieren. Nach anfänglichen Schwierigkeiten (FS 2 wurde zeitweise in Schwarz-Weiß oder in der Modefarbe Grün in Grün empfangen) erschienen die Farben nicht allzu unnatürlich.

Doch dann holte man im Bundeskonvikt zum großen Schlag aus: Die jeweiligen Hauptdienst-Tuenden erklärten, an ihrem Dienst-Tag werde der Fernsehapparat nicht eingeschaltet (unser KGB konnte nicht klären, ob aus Desinteresse am Programm oder aus Schadenfreude). Ergebnis: die Flimmerkiste blieb die ganze Woche über dunkel. Die Gesichter der Konviktler wurden länger und länger.

Wenn nun der an Kummer gewohnte Internatsschüler dem jeweiligen Hauptdienst-Habenden die Erlaubnis zum Fernsehen abgerungen hatte, stand er vor der schwierigen Aufgaben, einen Erzieher dazu zu bewegen, bewußtes Knöpfli (EIN-AUS) zu drücken. Würde dieser „Instanzenweg“ immer eingehalten, wäre dagegen kaum etwas einzuwenden.

Ihren Höhepunkt erreichte die Tragikomödie an einem Mittwoch-Abend: Der Fernsehraum war gerammelt voll, alle erwarteten ein spannendes Europacupspiel. Und wieder schlugen sie zu: Es erschien kein Erzieher, um auf den Einschaltknopf zu drücken. Und die Gesichter wurden noch länger ...

Vorbei sind die seligen Zeiten, als es im Bundeskonvikt nur ein Schwarz-Weiß-Gerät gab und man seine Wut an ihm auslassen konnte (es gab Spezialisten, die mit gekonnten Links-Rechts-Kombinationen das Letzte aus ihm herausholten). Und Tränen der Rührung treten älteren Konviktsschülern in die Augen, wenn sie jüngeren, ungläubig lauschenden Jahrgängen diesen schier unglaublich liberalen Status schildern.

Im Übrigen sind wir der Meinung, dass oben genannter Zustand sofort geändert werden muss!

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Auch wenn die Seiten der VOICE damals noch hektographiert waren, war sich die Eisenstädter Geschäftswelt des Impacts bewusst und schaltete wunderbare Anzeigen.

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