Wie sind wir bloß hier gelandet?

Die Symbolik könnte kaum eindeutiger sein: ausgerechnet im Volkskundemuseum wird von April bis August 2024 eine Ausstellung zum Bombenterror des Franz Fuchs präsentiert. Das Gedenken an das grausamste politische Ereignis der 2. Republik findet in einer Institution statt, in der man auch Flinserlkostüme aus Bad Aussee, Goldhauben im Linzer Typus und Pelzmäntel von den Landlern in Siebenbürgen finden kann. Für mich stellt sich dabei vor allem eine Frage: warum kommt das allen ganz normal vor?

#1

Die Ausstellung “Bomben gegen Minderheiten 1993 - 1996” nimmt die Attentatsserie der Neunziger Jahre zum Anlass, um vor einem bevorstehenden Rechtsruck in Österreich zu warnen. Warum diese explizit politische Ausstellung in dem von einem privaten Verein betriebenen Volkskundemuseum gezeigt wird und nicht in einem Bundesmuseum wie dem Haus der Geschichte oder im Parlament, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe freilich so eine Ahnung, warum die Schau samt Rahmenprogramm nicht im Parlament oder in der Hofburg, sondern im Gartenpalais Schönborn in der Laudongasse stattfindet.

Die Geschichte der Repubik Österreich ist seit ihrer Gründung reich an Zäsuren. Dessen ungeachtet gibt es gesellschaftliche Kontinuitäten, die offenbar unveränderlich sind und in allen seit 1918 vorherrschenden Staatssystemen ihre unheilvolle Wirkung entfaltet haben: eine solche Konstante ist die Weigerung der österreichischen Parteien, den “Minderheiten” politische Relevanz zuzugestehen. Alle drei traditionellen politischen Lager sind sich seit jeher darin einig, die das Machtgefüge störenden Gruppen von wichtigen Entscheidungen auszuschließen und politisch zu neutralisieren. 

Den nationalen Minderheiten, die bei uns in unseliger Tradition des Vielvölkerstaates “Volksgruppen” genannt werden, wird so der Status kultureller Kuriositäten zugewiesen, sie werden folklorisiert. Was politisch ist und was nicht, bestimmen bei uns einzig und allein die Parteien - ein Privileg, das sie auch weiterhin mit niemandem teilen möchten. Das ist der Grund, warum neben den Minderheiten nun auch die Bajuwarische Befreiungsarmee im Volkskundemuseum und nicht in einer staatstragenden Institution gelandet ist.

Apropos Rechtsruck: Herbert Kickl findet sicher auch, dass die Volksgruppen inklusive Bajuwaren in der politischen Arena nichts zu suchen haben und im Volkskundemuseum gut aufgehoben sind. Wohin sollen wir also noch rücken? 

#2

Die führenden Historiker des Landes Burgenland schätzen den Stellenwert der nationalen Minderheiten im Burgenland genau so ein wie die führenden Parteien des Landes. Auf der Homepage des Landesmuseums Burgenland findet sich ein Überblick über die Geschichte des Bundeslandes mit einem Untertitel, in dem die Kroaten, Ungarn und Roma dem Bajuwarenstamm der Heanzn gleichgestellt werden.

#3

Die Vorbereitungen für die Eröffnung eines österreichischen Zeigeschichtemuseums dauerten gut 20 Jahre. Heerscharen von Wissenschaftern, Publizisten und Politikern waren in die Gründung des sogenannten Hauses der Geschichte Österreichs (hdgoe) eingebunden. Als die Institution 2018, zum 100. Jahrestag der Gründung der Republik eröffnet wurde, kamen die nationalen Minderheiten mit keinem einzigen Wort vor. Erst nach Interventionen der Betroffenen wurde 2023 die Homepage des hdgoe ergänzt -  selbstverständlich auf Kosten der Minderheiten selbst. 

Mit welcher Sorgfalt sich das Haus der Geschichte Österreich der nationalen Minderheiten annimmt, dokumentiert auch das Kurzvideo, das das hdgoe im Dezember 2023 auf seinem Instagramm-Kanal gepostet hat.